Akademische Reitkunst - was steckt wirklich dahinter?

 

 

 

Wer kennt sie nicht die Vorurteile: „Das sind die, die nur mit ihrem Pferd rumstehen, rückwärts vor ihren Ponys herlaufen! Und überhaupt reiten die Akademiker eher wenig, und wenn dann nur Schritt! Ist eh eher etwas für spanische Pferde! Ernst geht es zu bei denen! Und die Reiter verwenden viel zu früh scharfe Gebisse!...“ Oft hört man den Satz:„Ich will entspannen und Spaß haben beim Reiten und nicht so viel grübeln und ins Detail fummeln. Das ist nichts für mich!“

 

 

Nun, in der Tat ist dies eine Lehre für den anspruchsvollen Freizeitreiter, wie es auch auf dem Titel des ersten Buches von Bent Branderup, dem Vordenker und Initiator dieser Reitweise, steht. Aber wie definieren die „Akademiker“ selbst den Begriff „anspruchsvoll“?

 

 

Es geht darum „Zeit schön zu verbringen“! Mit den Ponys (so nennt man in diesen Kreisen alle Pferde die man lieb hat), weil man sie als Familienmitglieder im weitesten Sinne sieht und weil jedes Pferd es verdient bestmöglichst und pferdegerecht behandelt zu werden. Auch außerhalb des Pferdestalles, weil man Ausgeglichenheit und gute Laune mit in den Alltag nimmt. Mit den Menschen drumherum, denen man versucht genauso respektvoll zu begegnen wie man es sich selbst wünscht. Ja … das sind unzweifelhaft anspruchsvolle Ziele!

 

 

Beginnen wir bei den Pferden.  Gehen wir einige Jahrzehnte zurück war der Reiteralltag ein anderer. Elitärer als heute konnte man sich als Pferdebesitzer in der Regel auf eine Rundumbetreuung von Reitlehrer und Stallpersonal verlassen oder man war in eine Familientradition eingebunden. Heute treffen mehr oder weniger Laien oft auf wenig bis gar nicht ausgebildete Pferde. Manchmal sind es Tiere die entweder von Geburt an eher ungünstige körperliche Voraussetzungen und Handicaps mitbringen. Oder sie nehmen sich derer an, die im Sport ihre Aufgabe erfüllt haben und als Folge körperlich und seelisch traumatisiert sind. Voller Idealismus stellen sich die Pferdeliebhaber nun den jeweiligen Herausforderungen. Sie müssen sich selbst schulen um gute Ausbilder für ihr Pferd zu werden und sehen sich mit einem weiten Feld an Themen konfrontiert. Haltung, Fütterung, Ausrüstung, Ausbildung und Therapie stehen nun mehr oder weniger auf dem Stundenplan.

 

 

Hier bietet die akademische Reitkunst ein umfassendes System das Mensch und Pferd zusammenführt. Beide lernen sich zu verstehen und auszutauschen und finden zu  Balance und Stabilität. Kluge Didaktik und pferdegerechte Trainingsinhalte helfen ein feines und leistungsfreudiges Pferd auszubilden, dessen Körper durch das (für ein Pferd an sich unnatürliche) Reiten kein Schaden nimmt.

 

Nimmt man an einem Seminar eines akademischen Trainers teil sieht man in der Tat oft ruhige Arbeit vom Boden aus. Das akademische System legt viel Wert auf diese Phase der Ausbildung, zumal die Pferdebesitzer oft nicht auf kompetente Hilfe im Alltag zurückgreifen können. Das Pferd soll Freude und Vertrauen entwickeln und die späteren Reiterhilfen bereits vom Boden aus kennen. Dieses Vorgehen beugt unnötigen Unfällen und Missverständnissen vor. Auch die gerittenen Einheiten sehen, zumindest zu Beginn des Weges, eher unspektakulär aus. Der Reiter schult sich selbst pferdegerecht lieber in ruhigen Gangarten. So sind Fehler und viele Wiederholungen weniger verschleißend für das Pferd. „Nicht stören (Balance, Körpergefühl …), wahrnehmen (Wissen um Biomechanik …), wandeln (Koordination, Didaktik…)“ -  komplex sind die Inhalte mit denen sich der Mensch als verantwortlicher Ausbilder beschäftigen muss. Oft vergisst der kritische Zuschauer, daß es sich um eine intensive Lehrstunde handelt. Die Erkenntnisse daraus sollen im Ausbilderalltag natürlich einfließen und ein abwechsungsreiches und vielseitiges Training durchdringen statt ersetzen. Mentale Gesundheit und Arbeitswille setzt individuelle Lösungen und Wege für jedes Pferd voraus – auch dahingehend wird sensibilisiert!

 

 

Da die akademische Reitkunst eine erfüllte gemeinsame Lebenszeit mit dem Partner Pferd gestalten hilft und  weder wettkampf- noch sportorientiert ist, spielt der Faktor Zeit und Erfolg eine ganz untergeordnete Rolle. Daher verzichtet man auf vermeintliche Abkürzungen wie Hilfszügel und besonders erfolgsversprechende Trainingsmethoden. Das heißt nicht, daß der Austausch mit anderen Sparten der Reiterei unerwünscht ist. Das Gegenteil ist der Fall! Das Wissen guter Ausbilder und moderne Erkenntnisse fließen immer neu ein in die Arbeit der Trainer und wird bei ihrem jährlichen Treffen diskutiert und erprobt. Der Maßstab ist immer das Wohlergehen der Pferde! Weniger dogmatisch geht nicht mehr!

 

 

Ist ihre Neugierde geweckt? Weitere Informationen erhalten sie auf www.bentbranderuptrainer.com

 

 

 

Autorin: Claudia Strauß, Lizenzierte Bent Branderup Trainerin

 

www.akademische-reitkunst-bayern.de